Unsere Grundlagen

Grundlage des Projektes GOSLOWKAL ist, den notwenigen Wandel – hin zu einer klimaangepassten, ressourcenschonenden Land- und Lebensmittelwirtschaft  – in der Region Hannover ganz praktisch voran zu bringen. Die Vielzahl an Krisen macht deutlich, dass unsere arbeitsteilige, von globalen Handelsstrukturen abhängige Wirtschaft äußerst störanfällig ist. Sich auf einige wenige große Anbieter und Händler von Nahrungsmitteln zu verlassen, führt zu riskanten Abhängigkeiten. Mehr denn je müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, die Ernährung der Menschen in  regionalen, verlässlichen  und nachhaltigen Strukturen zu sichern. Zu der verlässlichen regionalen Versorgungsstruktur von GOSLOWKAL gehören landwirtschaftliche Betriebe, eine Mühle und Bäckereien. Grade in der aktuellen Krise gilt es, sie zu erhalten!

Sicherung der Ernährung in der Region – heute und in der Zukunft

Mehr denn je müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, die Ernährung der Menschen in Städten und Gemeinden zu sichern. Die Vielzahl an Krisen hat deutlich gemacht, dass unsere arbeitsteilige, von globalen Handelsstrukturen abhängige Wirtschaft äußerst störanfällig ist. Sie bringt Unsicherheiten mit sich und missachtet in vielfacher Hinsicht durch das Überschreiten ökologischer Grenzen die Lebensgrundlagen der Menschheit.

Das Projekt GOSLOWKAL hat sich deshalb zur Aufgabe gemacht, in der Region Hannover eine exemplarische Kooperation entlang der Wertschöpfungskette Getreide, Mehl und Brot aufzubauen. Beteiligt sind ökologisch wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe, eine regionale Mühle und Handwerksbäckereien. Durch die Form ihrer Kooperation tragen sie zur Sicherung der Nahversorgung mit gesunden und nachhaltig erzeugten Lebensmitteln bei. GOSLOWKAL, ein Projekt der gemeinnützigen Gesellschaft Atelier Ernährungswende gUG mit Sitz in Barsinghausen, wird von der Region Hannover (im Rahmen der Richtlinie zur Förderung regional bedeutsamer Klimaschutzvorhaben) gefördert.

Grundlegend für die Herstellung von „unserem täglichen Brot“ sind - im wahrsten Sinne des Wortes - intakte, fruchtbare Böden. Verlieren Böden ihre ökologische Lebendigkeit werden sie witterungs- und erosionsempfindlich, die Ernten werden geringer und damit verschlechtert sich die Versorgungssicherheit. Insbesondere im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels sind die Verfügbarkeit von Böden sowie ihr intakter Zustand essentiell.

Unsere Böden sind nach den Ozeanen die zweitgrößte „Senke“ für Kohlenstoff. Sie speichern viermal mehr Kohlendioxid als die oberirdische Vegetation.  Durch den Aufbau von Humus und die Förderung des Bodenlebens lässt sich die Bodenfruchtbarkeit steigern, die Wasserspeicherkapazität der Böden verbessern und gleichzeitig Kohlenstoff einlagern. Die nachhaltige Nutzung von Böden kann dazu beitragen, den Klimawandel abzuschwächen und uns an ihn anzupassen.  

Die Hitze- und Dürreperiode in 2022 hat an vielen Orten dazu geführt, dass der Mangel an Wasser im Boden geringere Ernteerträge und geringere Backqualität bei Weizen verursachte. Bei Wassermangel bleibt Stickstoff im Boden quasi liegen (mineralisiert nicht) und ist somit für die Pflanzen nicht verfügbar. Das bedeutet, dass u.a. mit verschiedenen Maßnahmen die Wasserverdunstung und Speicherfähigkeit der Böden erhöht werden muss.  

Diese und weitere Grundlagen für die Sicherung unserer Ernährung werden in dem Projekt GOSLOWKAL berücksichtigt. Lösungen für zahlreiche Herausforderungen beim Erhalt und Aufbau regionaler, nachhaltiger und widerstandsfähiger Versorgungsstrukturen werden von den Projektbeteiligten gemeinsam weiter entwickelt. 

Kurze Transportwege

Sie verringern beispielsweise den schädlichen Ausstoß von Treibhausgasen und reduzieren das Verkehrsaufkommen. Im Gegensatz zu den Abhängigkeiten und dem Störpotential großräumiger Verteilsysteme von Rohstoffen und Nahrungsmitteln ist der Transport von Getreide, Mehl und Brot auf kurzen Strecken, in kurzen Versorgungsketten eindeutig von Vorteil.

Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region

Vielfältige, nachhaltig wirtschaftende  Betriebe der Landwirtschaft, des Lebensmittelhandwerks und der lokaler Vermarktung tragen dazu bei, Wertschöpfung und sinnstiftende Arbeitsplätze in der Region zu erhalten und neu zu schaffen. Der Einkauf in Betrieben des lokalen Lebensmittelhandwerks oder in Hofläden, kann heute schon Arbeitsplätze der Kinder von morgen in der Region sichern.

Wissen wo mein Brot herkommt

Ein aromatisch duftendes Brot in der Hand zu halten und zu wissen wer und wie das Getreide angebaut, das Mehl gemahlen und das Brot gebacken wurde, ist eine besondere Qualität. Transparenz vom Acker bis zur Ladentheke bedeutet zudem Sicherheit und sozialen Bezug.  Der direkte Bezug zu den Menschen die „Mein Lebensmittel“ erzeugt und herstellt haben, fördert Vertrauen und Verbundenheit. Grade in Zeiten von Krisen sind Verbundenheit und Gemeinschaftssinn von großer Bedeutung, um Krisen zusammen zu meistern und gestärkt daraus hervor zu gehen.

Biodiversität ist unsere „Lebensversicherung“

Die Natur befindet sich grundsätzlich in einer immerwährenden Evolution. Doch insbesondere die sich rasch verändernden klimatischen Bedingungen, als Folge der von uns Menschen emittierten Treibhausgase, machen die Anpassung unserer Kulturpflanzen an Herausforderungen wie etwa lange Dürreperioden erforderlich. Dazu brauchen wir eine große Vielfalt (Diversität) innerhalb jeder Kulturpflanzenart. Beispielsweise beim Weizen, wenn es darum geht, neue robuste Weizensorten oder Population zu entwickeln, die auch bei langen Trockenphasen gedeihen und sich an unterschiedliche Standortbedingungen anpassen können. 

Handwerkliche Lebensmittelhersteller*innen und Verbraucher*innen können täglich ganz einfach helfen die Biodiversität und damit ihre eigene „Lebensversicherung“ zu erhalten: Durch die Wertschätzung und den Einkauf von Rohstoffen und Lebensmitteln, in denen u.a. die Leistungen von Bauern und Bäuerinnen stecken, die zum Erhalt der Biodiversität auf dem Acker betragen.  

Die am GOSLOWKAL Projekt in Hannover und der Region beteiligte Bäckerei Buck sowie auch die demeter Bäckerei Backwerk in Hannover arbeiten nach diesen Grundsätzen.

Wertvolles Wissen und Können erhalten

Lebensmittelhersteller*innen die auf umfassendes handwerkliches Know-how  setzen, sind in der Lage auch mit nicht standardisierten Rohstoffqualitäten aus der Region gute, gesunde Lebensmittel herzustellen. Verbraucher*innen die sich beispielsweise für Brot von  Handwerksbäckereien entscheiden, die umfassend nachhaltig erzeugte Rohstoffe (wie Getreide, Saaten, Milchprodukte) verarbeiten, erhalten das Wissen, dass wir mehr denn je in der Zukunft brauchen. Auch eine große Vielfalt und Auswahl an einzigartigen Produkten wird nur erhalten und gefördert, wenn viele lokale Hersteller Lebensmittel aus Rohstoffen von vielen nachhaltig wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben anbieten. Verschwinden immer mehr Höfe und Handwerksbetriebe bleiben am Ende nur noch wenige, große Industriebetriebe über. Sie könnten dann bestimmen, welche Lebensmittel (zu welchem Preis) auf den Teller kommen.

Unabhängigkeit von globalen, krisenanfälligen Handelsstrukturen

Die Versorgung mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln aus der Region trägt zur Unabhängigkeit und zur Selbstbestimmung der Verbraucher*innen bei, da sie auch in Zeiten verfügbar sind, in denen globale Märkte stark schwanken und Lieferketten instabil werden. Eine ressourcenschonende Landwirtschaft, Know-how basierte, handwerkliche Lebensmittelherstellung und regenerative Energieerzeugung (möglichst in Bürgerhand) können auch in Krisenzeiten die Ernährung der Bevölkerung sichern.

Ernährung durch nachhaltige Wirtschaftsweise sichern

Wird durch die Landbewirtschaftung die Fruchtbarkeit der Böden, die Biodiversität, der Schutz von Wasser sowie die Bindung von CO2 gefördert und geeignete Maßnahmen zur Anpassung an die Herausforderungen des Klimawandels ergriffen, sichert dies die Ernährung der regionalen Bevölkerung auch in Zukunft. Böden mit geringer Wasseraufnahme- und Wasserspeicherkapazität können zur existenziellen Bedrohung für Landwirt*innen werden. Werden Böden hingegen mit geeigneten Maßnahmen widerstandsfähiger gemacht, lässt sich das Ertragspotenzial sogar steigern.

So ist etwa eine Fruchtfolge mit Leguminosen (Hülsenfrüchten) gut für den Boden sowie für Mensch, Tier und Umwelt. Jahrhundertelang gehörten die Leguminosen fest in den Anbauplan bäuerlicher Betriebe. Die ökologisch wirtschaftenden Landwirte die beim GOSLOWKAL Projekt dabei sind, setzen Leguminosen mit ihren bodenverbessernden und stickstoffnachliefernden Eigenschaften ein und lockern mit ihnen ihre Fruchtfolgen auf. So werden deutlich weniger schädliche Treibhausgase erzeugt, wie bei engen Fruchtfolge, bei denen mit Mineraldünger gedüngt wird.

Selbstverständlich müssen Leistungen der Landwirtschaft, die Nutzen für die Allgemeinheit erbringen, fair entlohnt werden.

Regionale, nachhaltige Land- und Lebensmittelwirtschaft wird erlebbar und sichtbar

Schon Kinder können und sollten lernen, wo gesunde und nachhaltige Lebensmittel herkommen und welchen Wert sie für den Menschen haben. Dies ist z.B. an dem außerschulischen Lernort auf dem Kampfelder Hof im Süden von Hannover möglich. Der Verein Heuhüpfer e.V. setzt dort auf dem Biolandhof in vorbildlicher Weise seine Schwerpunkte in der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auf die Themen: Landwirtschaft, Ernährung und Ökologie gesetzt. Auch der Kampfelder Hof (s. Hofportraits)  ist an dem Projekt GOSLOWKAL beteiligt.

Lebensmittel gehören nicht in die Tonne

Kurze Wege, Transparenz und Leistungen für das Gemeinwohl in der Landwirtschaft und im Lebensmittelhandwerk tragen nachweislich zu einer höheren Wertschätzung für regional, handwerklich und nachhaltig hergestellte Lebensmittel bei. Diese Wertschätzung reduziert den Verlust und die Verschwendung von Lebensmitteln.

Klimaschutz und Klimaanpassung

Der im Februar 2022 veröffentlichte Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) bestätigt, das nur Klimaanpassungsmaßnahmen gewährleisten, dass qualitativ hochwertige Nahrungs- und Futtermittel weiterhin in ausreichendem Maß produziert werden können. Das bedeutet Klimaschutz und Klimaanpassung gehört unmittelbar zusammen. Ackerbau zeigt eine positive CO2- und somit Klimabilanz über längere Zeiträume nur dann, wenn dauerhaft zusätzlich Humus (sogenannter Dauerhumus) aufgebaut wird. Eine Reihe von Maßnahmen, die auch von den Betrieben des GOSLOWKAL Projektes durchgeführt werden, tragen dazu bei, Humus erhaltend und aufbauend zu wirtschaften. Beispielsweise:

  • vielfältige Fruchtfolgen mit standortangepassten Sorten
  • ganzjährige Bodenbedeckung durch Anbau von diversen Zwischenfruchtmischungen
  • Einsatz von blühenden Untersaaten

Eine ganz besondere Maßnahme innerhalb des Projektes ist der Anbau von sogenannten „heterogenen Weizenpopulationen“. Weizenpopulationen sind eine Art Weizen-Familie. Die einzelnen Pflanzen auf dem Acker unterschieden sich voneinander. Diese Vielfalt auf der Fläche gibt Ertragssicherheit - auch im Klimawandel. Population (Pflanzenfamilie) anzubauen ist eine bewährte Methode, mit der Bauern und Bäuerinnen früher Weizen erzeugt haben. Dieses alte Prinzip wurde mit natürlicher, innovativer Züchtungsarbeit für die Zukunft weiter entwickelt.

Mehr zu heterogenen Weizenpopulationen siehe: www.weizenvielfalt.de

GOSLOWKAL – Ein Zukunftsprojekt

GOSLOWKAL - eine Verknüpfung aus GO LOKAL und SLOW - ist eine neue (deutsch-englische) Wortkreation der Projektinitiator*innen und wird in Zukunft hoffentlich zum Qualitätsbegriff.

GO LOKAL steht für den Erhalt und Aufbau umfassend nachhaltiger Strukturen in der Region und dem Umland von Hannover. Im ersten Schritt für den Bereich der Erzeugung, Herstellung und des Konsums von Getreide, Mehl und Brot.

SLOW (langsam) steht für die Zeit, die naturgemäße Prozesse von der Saatgutentwicklung bis zum fertigen Lebensmittel brauchen. Dazu gehören etwa im Bereich Getreide, Mehl und Brot:

  • Neben Wissen & Hingabe, viel Zeit für die züchterische Entwicklung gesunder, robuster und anpassungsfähiger Getreidesorten.
  • Die Beachtung zeitgebundenen Reifeprozesse bei der Lagerung vor und nach der Getreidevermahlung. Sie gehören naturgemäß zu den Voraussetzungen, um Mehl mit guten Verarbeitungseigenschaften zu erhalten.
  • Die lange Reifung von Sauer- und Vorteigen, Zeit für die handwerkliche Herstellung von Brot und Gebäck und nicht zuletzt ausreichend Zeit für den Backprozess, der Gebäcken eine Geschmack gebende Kruste verleiht.

Auf jeder Stufe der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln gibt es jedoch Möglichkeiten, die Prozesse zu „vereinfachen“ und zeitlich zu verkürzen. Das Gegenteil von ‚slow‘ kann beispielsweise der Einsatz sogenannter externer Inputs bewirken. Im Bereich der Herstellung von Brot und Backwaren könnten dies etwa eine Reihe von Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffen oder Convenience-Produkte (industriell gefertigte Teiglinge oder Backvormischungen) sein. Sie werden mit dem Ziel eingesetzt, die Herstellungsprozesse deutlich zu vereinfachen, zeitlich zu verkürzen und Rohstoff- bzw. Produkteigenschaften zu verändern.

In Anlehnung an das „Gesetz der Wirtschaft“ des englischen Schriftstellers und Sozialphilosophen John Ruskin, lässt sich die Auswirkung solcher Zeiteinsparungen wie folgt beschreiben:                        

‘Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendwer vermeintlich billiger produzieren und ein wenig schlechter machen könnte. Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden - oft unbewusst - Beute und Opfer dieses Prinzips. ’

Nicht zuletzt geht dabei auch wertvolles Wissen, Können und damit Unabhängigkeit auf unterschiedlichen Ebenen verloren.

Deshalb ist SLOW eine Kernqualität von GOSLOWKAL. Alle Beteiligten der verschiedenen Stufen der Wertschätzungskette achten den Einflussfaktor Zeit bei der Steuerung ihrer Prozesse, denn er hat für die umfassend nachhaltige Erzeugung und Herstellung von gesunden Lebensmitteln eine große Bedeutung.

Was wir unter Nachhaltigkeit verstehen

Nachhaltigkeit im Sinne der Projektinitiator*innen bedeutet:

Eine Gesellschaft, welche die mineralischen Energiereserven, die Vielfalt der Pflanzen und Tiere einer Region, die Bodenfruchtbarkeit, Süßwasserverfügbarkeit, Luftqualität, Aufrechterhaltung biogeochemischer Kreisläufe (Kohlenstoff, Stickstoff etc.) und die Klimastabilität vernachlässigt oder Raubbau an diesen betreibt, handelt nicht nachhaltig. Stattdessen geht es darum, mit menschlichen Haltungen wie Wertschätzung und Respekt in allen Bereichen verantwortungsvoll zu wirtschaften. Die Nutzung von Ressourcen in Systemen wie der Land- und Lebensmittelwirtschaft muss dauerhaft aushaltbar sein, ohne weiterhin ökologische, ökonomische und soziale Schäden anzurichten. „Entscheidend für die Zukunft unserer Kultur ist, ob es uns gelingt, die erkennbar gesetzten Grenzen zu respektieren und an ihnen zu wachsen.“*

*Zitat: ifh Band 82, Quo vadis Handwerk? , S. 199, Beitrag von Christine Ax